DR. ETHAN RUSSO

Ethan Russo: "Hanf ist so vielseitig in der Herstellung von chemischen Verbindungen, welche für unsere Gesundheit von Nutzen sind."

Ethan Russo, Doktor der Medizin, ist ein amerikanischer Neurologe, Psychopharmakologie-Forscher, Gründer und CEO von credo-science.com.

Früher war er Direktor des International Cannabis and Cannabinoids Institute (ICCI) mit Sitz in Prag; von 2003 bis 2014 war er als Leitender Medizinischer Berater von GW Pharmaceuticals für zahlreiche klinische Studien der Phasen I-III zu Sativex tätig. Er ist zudem Ex-Präsident der International Cannabinoid Research Society und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der International Association for Cannabinoid Medicines. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Korrelationen zwischen historischen Anwendungen von Cannabis und modernen pharmakologischen Wirkungsmechanismen, der phytopharmazeutische Behandlung von Migräne und chronischen Schmerzen, in pflanzlichen Synergien und Wechselwirkungen zwischen Phytocannabinoiden, Terpenoiden, serotonergischen und vanilloiden Interaktionen.
Dr. Russo, der als Arzt und Unternehmer im Zentrum der globalen medizinischen Cannabisindustrie steht, sprach Ende 2021 mit Soft Secrets über den neuesten Stand der Technik, künftige Entwicklungen und die interessantesten Aussichten dieser sehr wichtigen Medizin für die Gesundheit der BürgerInnen im 21. Jahrhundert. 

CANNABIS - die pharmazeutische Fabrik

Das Zukunftsgespräch mit Dr. Ethan Russo.
Cannabis als Ersttherapie in der Krebsbehandlung.
Hanf, die Medizin der BürgerInnen im 21. Jahrhundert.



Soft Secrets: Bei dem Reichtum bezüglich der chemischen Zusammensetzung ist Cannabis eine molekulare Fabrik. Gibt es ein spezifisches und komparatives Forschungsmodell, bei welchem der Untersuchungsgegenstand Cannabinoide sind? 


Dr. Ethan Russo:

Ich stimme zu, dass Cannabis eine pharmazeutische Fabrik ist. So gesehen besteht ein interessantes Experiment darin, ein isoliertes Cannabinoid mit einem ganzen Extrakt zu vergleichen, und dies wurde bereits mehrmals gemacht. In Israel führte Ruth Gallily eine Cannabidiol-Studie durch, in der sie die Reaktion von Nagetieren auf Schmerzen untersuchte. Bei ausschließlicher Anwendung von Cannabidiol lautet die Antwort wie folgt: Zu wenig der Medizin wirkt sich nicht auf den Schmerz aus, eine angemessene Dosis schon, aber wenn sie darüber hinaus erhöht wird, geht die Wirkung auf den Schmerz verloren. Dies wird als biophysikalische Dosis-Wirkungs-Kurve bezeichnet. Nun hat man dasselbe Experiment mit der gleichen Menge Cannabidiol, aber als Teil eines Extrakts, durchgeführt, und hier ließ sich, als die Dosis erhöht wurde, die Schmerzkontrolle aufrechterhalten. Dies ist ein Beweis dafür, dass in den meisten Fällen das Vollspektrum-Extrakt wirksamer ist als die reine Substanz.



Soft Secrets: Sind für medizinische Anwendungen dann Vollspektrum-Extraktionen vorzuziehen?


Dr. Ethan Russo:

Lassen Sie mich ein anderes Beispiel anführen: Es gibt eine weitere Kontroverse über die Tatsache, dass es viele Unternehmen gibt, die versuchen, Cannabinoide aus Hefe oder Kolibakterien herzustellen. Das ist interessant und die Wissenschaft dahinter faszinierend. Ich glaube jedoch, nachdem ich mich viele Jahre lang damit intensiv beschäftigt habe, diese Isolate werden niemals und nicht im Geringsten die Aktivität haben, wie sie komplexe, von der Pflanze produzierte Mischungen vorweisen können. Noch einmal, wir haben es mit einer Pflanze zu tun, von der wir mindestens 150 verschiedene Cannabinoide kennen. Es handelt sich also nicht nur um THC, nicht nur um CBD und nicht nur um CBG, sondern um mindestens 147 weitere chemische Substanzen. In Italien wurde letztes Jahr ein neues Cannabinoid isoliert, das Tetrahydrocannabiforol, das 23 Mal stärker ist als THC. Und es wird noch mehr dazukommen, denn neben den Cannabinoiden gibt es 200 verschiedene Terpenoide, die in Cannabis bisher gefunden wurden. Es zeigt eben die erstaunliche Fähigkeit dieser Pflanze, verschiedene chemische Stoffe zu produzieren. Sie tut das nicht, um uns high zu machen oder um Medizin für Menschen herzustellen. Vielmehr dienen sie den ökologischen Bedürfnissen der Pflanze, sei es zur Verteidigung gegen Insektenangriffe, Stärkung der Resistenz gegen Krankheiten oder gegen Pilze. Im Grunde machen wir uns nur die wunderbare Tatsache zunutze, dass diese Pflanze so vielseitig in der Herstellung von chemischen Verbindungen ist, welche für unsere Gesundheit von Nutzen sind. 



Soft Secrets: In Europa hört man immer noch Stimmen, die sagen, es fehle es an klinischen Studien zu Marihuana. Wenn dies einerseits stimmt, ist dann wiederum nicht ein anderer Ansatz für eine solche Medizin notwendig? Wie lassen sich die einzelnen Erfahrungen Tausender Patienten am besten nutzen? Wie kann man, ausgehend von dem Datenmaterial, ein Medikament entwickeln, das besser wirkt, wenn es stark auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten ist?


Dr. Ethan Russo:

Der erste Grund, warum bei uns nicht so viel geforscht wird, ist das Problem des Zugangs und der Finanzierung. Im weltweiten Vergleich wird die meiste biomedizinische Forschung immer noch durch das US National Institute of Health finanziert. Deren Budget wurde jedoch gekürzt, und das auch aufgrund amerikanischer Gesetze, welche eher die Gefahren als den Nutzen von Cannabis betonen. Der Forschung werden viele Steine in den Weg gelegt. Nachdem wir dies nun geklärt haben, ist es absolut falsch zu sagen, wir hätten nicht genügend Beweise, denn diese sind für eine Anzahl von Sachverhalten sehr überzeugend, wie zum Beispiel für die Behandlung von Schmerzen bei Erwachsenen, die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit einer Chemotherapie und dann, im Fall von Cannabidiol, für die Behandlung von schweren epileptischen Syndromen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Befunde, zwar weniger überzeugende, welche dennoch nachweislich positive Auswirkungen bei einer Vielzahl weiterer Erkrankungen bestätigen.
Und schließlich haben wir die Erfahrungen von Millionen Patienten auf der ganzen Welt, die überhaupt an keiner Kontrollstudie teilgenommen haben, aber den Nutzen von Cannabis sehen und auf gefährlichere Medikamente wie Opioide verzichten. Was wir tun müssen: Auf nationaler und internationaler Ebene gesetzliche Änderungen durchsetzen.
Cannabis ist nicht Kokain, Cannabis ist nicht Heroin. Da gibt es Unterschiede, und wenn wir Substanzen wie diese alle in einen Topf werfen, ist das Ergebnis in der Regel höchst ungenau und kontraproduktiv. 



Soft Secrets: Was halten Sie von der weltweit in den meisten Gesetzen vorgenommenen Abgrenzung zwischen Cannabiskonsumenten aus medizinischen Gründen und solchen aus nichtmedizinischen Gründen? Ist diese Unterscheidung wirklich relevant?


Dr. Ethan Russo:

Dies ist eine der Fragen, über die wir endlos diskutieren könnten. Ich glaube nicht, dass es eine klare Trennung gibt. Es gibt Leute, die sagen, ihr Cannabiskonsum sei ein "Freizeitvergnügen", aber warum konsumieren sie es eigentlich? Sie tun es, um sich zu entspannen, sie tun es, weil es manchen beim Einschlafen hilft, sie tun es, weil es die Schmerzen nach einem harten Arbeitstag lindert, oder sie tun es, weil sie vergessen wollen, wie fies der Chef zu ihnen war. Das sind alles Dinge, die andere vielleicht durch Alkoholkonsum lösen wollen - was aber ineffektiv ist, möchte ich hinzufügen. Außerdem heilen viele Menschen irgend etwas mit Cannabis, ohne sich dessen bewusst zu sein. Viele bemerken, dass sie dank Cannabis bessere Ergebnisse erzielen.
Einige haben vielleicht eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS), die nie behandelt wurde, oder sie haben unterschwellige Ängste oder Depressionen, über die Cannabis hinweghilft. Ich habe mich selbst schuldig gemacht, diese Abgrenzung zu gebrauchen, nun denke ich aber, sie ist etwas künstlich und die Unterschiede überschneiden sich oft sehr. Deshalb hoffe ich, das Problem wird nicht in ein Schwarz-Weiß-Schema gepresst, denn man kann diese beiden Gründe, die Leute zum Cannabiskonsum veranlassen, nicht völlig voneinander trennen. 



Soft Secrets: Die Aufgabenstellung Ihres Unternehmens Credo Science besteht darin, patentierte Produkte zu vermarkten, die aus der Erforschung von Cannabis und des Endocannabinoid-Systems hervorgegangen sind, um diese Medizin sicherer und besser zu machen. Was bedeutet es, Cannabis sicherer und besser zu machen?


Dr. Ethan Russo:

Zunächst möchte ich denjenigen widersprechen, die behaupten, Cannabis habe keine Nebenwirkungen. Während der Cannabiskonsum für die meisten gewiss einen therapeutischen Nutzen hat, gibt es Menschen mit einer Veranlagung zur Entwicklung von Psychosen, für die Cannabis gefährlich sein kann.
Dann gibt es eine kleine Gruppe von Personen, die kein Cannabis konsumieren sollten, weil sie dazu neigen, ein Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom, ein Übelkeitssyndrom, Erbrechen und Bauchschmerzen zu entwickeln, und das Einzige, was sie vor diesen Symptomen bewahren würde, ist die Unterbrechung des Konsums.
Unser Ziel besteht also darin, ein pharmazeutisches Produkt herzustellen, das die genannten Vorteile bietet, aber weniger Nebenwirkungen hat. Wir wissen beispielsweise, dass Cannabis neben THC viele weitere Inhaltsstoffe enthält, die auf Schmerzen und Entzündungen einwirken können. Um in diesen Situationen einen Effekt zu erzielen, ist ein wenig THC äußerst hilfreich, aber zu viel davon könnte Nebenwirkungen wie Angstzustände oder Paranoia hervorrufen, was die Leute nicht wollen. Wenn Cannabismedikamente richtig hergestellt werden, können wir sicherstellen, dass sie Schmerzen und Spastizität lindern oder den Schlaf wegen der geringeren Nebenwirkungen verbessern. 



Soft Secrets: Wie geht ihr also vor, um die Vorteile zu erhalten und die unangenehmen Wirkungen zu vermindern?


Dr. Ethan Russo:

Wir arbeiten mit dem Wissen, was die verschiedenen Bestandteile von Cannabis bewirken und wie sie auf eine Weise produziert werden können, die sie besser und sicherer macht. In unserem Fall möchten wir kräftige, krankheitsfreie Pflanzen erzeugen, und viele der Ergebnisse kommen sowohl aus der selektiven Züchtung als auch aus Verarbeitungs- und Extraktionsverfahren.
Ein Teil unserer Aufgabe besteht darin, den biologischen und regenerativen Cannabisanbau zu fördern. Wir wollen weniger industrielle Erzeugnisse sehen, für die Pestizide und ähnliche Substanzen verwendet werden. Die sind nicht notwendig und stellen ein Problem dar, und wir wollen die Probleme reduzieren. So sind beispielsweise viele Cannabiskonzentrate erhältlich, die zumeist mit dem Ziel produziert werden, dass sie eine große Menge THC enthalten - unter Ausschluss anderer Bestandteile, die das gleiche Produkt sicherer machen würden.
So gesehen versuchen wir nicht, den Spaß zu verderben, sondern vielmehr bessere therapeutische Praxiserfahrung zu erhalten und uns möglicherweise auch zu einer besseren Sachkenntnis von Cannabis als Genussmittel zu verhelfen. 



Soft Secrets: Wenn Sie von Cannabis als sicherer Medizin sprechen, beziehen Sie sich auf die Züchtung und Verarbeitung. Was halten Sie vom Anbau selbst als wichtigen heilsamen Faktor im Sinne der Phytotherapie?


Dr. Ethan Russo:

Eine phytotherapeutische Wirkung ist bei Cannabis tatsächlich festzustellen, weil die Menschen ganz in den Anbauprozess ein-gebunden sind. Ich selbst baue in kleinem Umfang Bio-Früchte und Beeren an - das ist eine sehr angenehme Beschäftigung. Wenn wir über Cannabis sprechen und dabei voraussetzen, Patienten haben die Möglichkeit, es legal anzubauen, dann
ist dies natürlich ein schöner Zeitvertreib und hebt deren Selbstwertgefühl in dem Sinne, dass sie vermeinen, die Situation selbst zu kontrollieren. Falls Patienten die Fähigkeiten haben und dazu berechtigt sind, glaube ich, dass es eine sehr gute Sache für sie ist, und deshalb ermutige ich, wann immer möglich, wirklich in diesem Sinne zu denken. 



Soft Secrets: Auf welchen Gebieten schreitet vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrung zu Beginn der 2020er Jahre die internationale Cannabisforschung voran? Welches sind die interessantesten Entwicklungen in den Forschungsbereichen hinsichtlich medizinischen Cannabis?


Dr. Ethan Russo:

Die meisten konzentrieren sich auf die Schmerz- und Schlafbehandlung, wo wir bereits wissen, dass Cannabis wirken kann, und es nur noch darum geht, herauszufinden, wie es am besten funktioniert.

Es gibt vier Punkte, die ich hervorheben möchte:
Erstens: Die Verwendung von Cannabis als Antibiotikum.
Zweitens: Zur Erstbehandlung bei Krebs, da Cannabinoide die einzigartige Fähigkeit haben, Krebszellen abzutöten und gleichzeitig normale Zellen zu schützen, das ist sehr vielversprechend.
Drittens: Der dritte Bereich ist die Psychiatrie, wobei Cannabis eine Rolle bei der Behandlung von Angstzuständen zukommt - einem extrem verbreiteten Problem, vor allem im Zeitalter von Covid, wo jeder ängstlicher ist als früher. Wir brauchen bessere Medikamente, welche die Probleme angehen, die nicht süchtig machen, nicht berauschend wirken - und Cannabis könnte die Antwort sein.
Der vierte Bereich wurde bisher völlig ignoriert: die Behandlung von Frauenkrankheiten, d. h. von gynäkologischen Problemen.
Im 19. Jahrhundert, als die Cannabismedizin in Europa tatsächlich in einer Entwicklung begriffen war, wurde sie sehr häufig in der Geburtshilfe und der Gynäkologie angewandt, und dies scheinen wir vergessen zu haben. 

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